Letzter Brief von Thich Nhat Hanh an seine Schüler

Am 27. September 2014, sechs Wochen vor seiner Hirnblutung, veröffentlichte Thich Nhat Hanh einen Brief, der jetzt, nach fast 2 Jahren Schweigen als eine Art Testament gesehen werden kann.

Thay

Thich Nhat Hanh

Der letzte Absatz von Thich Nhat Hanh’s Brief: `Das Kalama-Sutra erzählt, wie eine Gruppe junger Menschen zum Buddha kamen um ihm eine Frage zu stellen. „Jeder religiöse Lehrer, der durch unser Dorf geht sagt, dass seine Belehrungen die besten und die richtigsten sind, aber wem sollen wir glauben?“ Der Buddha antwortete: „Freunde, glaubt gar nichts. Nicht mal, wenn es in den Sutras geschrieben steht oder von einem berühmten Lehrer stammt. Bei allem was ihr hört, sollt Ihr mit Eurem intelligenten und kritischen Geist sorgfältig prüfen und dann für Euch selber in die Praxis umsetzen. Wenn Ihr es anwendet und seht, dass Ihr von Euren Leiden und Schwierigkeiten befreit seid, werdet Ihr klar erkennen, dass es die Wahrheit ist und dann könnt Ihr daran glauben.“ Sutras wie das Kalama Sutra machen klar, dass der Buddhismus eine sehr offene, intelligente und kritische Tradition ist. Wenn wir den Buddhismus in eine dogmatisch Religion verwandeln, wäre das eine grosse Schande für den Buddha. Wir hätten dann die Reinheit von Buddhas Lehren verloren und könnten uns nicht mehr länger Seelenverwandte nennen.’

Wir werden also aufgerufen, nichts zu glauben sondern intelligent und kritisch zu überprüfen. So werden wir wissen, was wir in der Praxis um setzen wollen. Und wenn es uns frei gemacht hat, wissen wir… Dies ist die Wahrheit.

Buddhismus als Befreiungspragmatismus.

Thich Nhat Hanh’s Brief fängt an mit der Erkenntnis, dass Shakyamuni Buddha ein Mensch war und NICHT völlig anders als wir. Deshalb hat Thich Nhat Hanh Buddhas Lebensgeschichte und Unterrichtungen von ‚Heiligenscheinen und Mysterien‘ befreit und Buddhas Leben und Lehren in dem Buch ‚Wie Siddhartha zum Buddha wurde‘ beschrieben.

Teilweise ist der Brief eher für die erfahreneren Schüler geschrieben. Einige theoretische Dogmen werden geknackt aber… Thich Nhat Hanh wäre nicht Thich Nhat Hanh, wenn die Praxis nicht zentral stehen würde. Auch für die Dharma-Lehrer.

Thich Nhat Hanh schreibt: ‚Aber bevor wir nicht lernen, mit unseren Gefühlen oder mit unseren schmerzhaften Emotionen umzugehen; lernen unsere Freude zu entwickeln und Glück zu nähren in uns selbst; die Methoden tiefen Zuhören und des liebevollen Sprechens zu lernen; die Kommunikation mit unseren Schwestern und Brüdern wieder herstellen – bevor wir all diese Dinge lernen, können wir keine monastische Sangha aufbauen. …… Dharma-Lehrer müssen lehren wie wir atmen, gehen und sitzen können. Wie wir mit unsere Geistesformationen umgehen können, z.B. mit Ärger, Traurigkeit, Hass und Neid. Wie wir mit unseren Leiden umgehen und wie wir unsere Gefühle und Emotionen beruhigen können. Wenn wir einmal wissen, wie wir diese Dingen tun, werden wir fähig sein, unseren Brüdern und Schwestern zu helfen, dasselbe zu tun und wir werden fähig sein, unsere eigene Studenten zu unterrichten.’

Weit über buddhistische Tradition und Überlieferung hinaus, öffnet Thich Nhat Hanh ein Fenster auf einen lebendigen Buddha, hier und jetzt.

‚Wenn wir tief der Musik des Windes oder dem Singen der Vögel zuhören; wenn wir jede Blume, Pflanze oder Vogel tief betrachten, können wir sehen, dass jedes dieser Phänomene uns den Dharma lehrt. Wenn wir tief zuhören können, werden wir die 4 edlen Wahrheiten hören, den edlen achtfachen Pfad, die fünf Kräfte, die sieben Faktoren des Erwachens. Der Buddha ist immer noch hier. Der Buddha ist nie gestorben und er gibt weiterhin Dharma-Unterweisungen durch den Kosmos.‘

Ich lade dich ein, dich zu öffnen für diesen Buddha. Lese ‚Wie Siddhartha zum Buddha wurde‘, vielleicht auch Thich Nhat Hanh’s ganzen Brief, aus der Seite intersein.de oder tauche ein in der Einsichtsmeditation

9 Gedanken zu „Letzter Brief von Thich Nhat Hanh an seine Schüler

  1. Ich habe ihn Zwei Mal in Berlin erlebt, als Vortragender und während einer Geh-Meditation! Wäre gerne zu ihm nach Frankreich gefahren, aber das ist ja leider zu spät! Schade!!!! Was lerne ich daraus?
    Den Konjunktiv endlich aus meinem Leben verbannen!!!

  2. Ich hatte auch mit dem Gedanken gespielt im August nach Plum Village zu fahren, aber nicht ernsthaft genug.Schade gern hätte ich Tich Natan noch ein mal erlebt. Ein bemerkenswerter richtungsweisender Buddist.

  3. Ich fand überraschend hierher, weil ich ein Video sehen wollte von Thich Nath Hanh, weil seine Stimme zu sprach vorhin, als ich an jemand schrieb, der mir seinen Namen sagte und ihn mir ans Herz legte. Und obwohl eben noch ein google-Eintrag etwas sagte von etwas von diesem Jahr, lese ich nun, er sei schon gestorben, bevor ich jemals von ihm hörte? Ich bin etwas bestürzt, davon zu lesen und gleichzeitig, möge er eine gute Reise haben und er ein Leben voller Liebe genießen und vielleicht auch mit einer eigenen kleinen Familie, so wie einmal sehr kurz er es für möglich hielt in seiner Vostellung… Und es war eine Freude hierher zu kommen, zu dieser Seite und oben das freundliche bekannte Gesicht zu sehen, diese frohe Überraschung, von dir, lieber Adriaan. Ein schönes Gefühl von Fortwährend…

    • Oh, ich war wohl etwas zu eilig… Gott sei Dank…? Scrollte noch einmal nach oben, um in dein Gesicht zu schauen, mich mehr zu vertiefen in die Worte, die ich vernahm von Thich Nath Han… die von Liebe sprachen und lieben, diese englische Eigenart bestimmter Worte, Substantiv, Verb und Imperativ zu sein, was sich gerade jetzt wie eine mir vorher unentdeckte philosophische Komponente von Unmittelbarkeit des Seins anfühlt… Und damit genau die Vorsichtigkeit und Behutsamkeit wiederfindet, die seine Stimme eben noch besaß und die sich in mir verwirbeln ließ für einen kurzen Moment des Erlebens eines Verlustes. Wiederfindet in der Art, wie du es formuliert hast und wie ich euer Lächeln jetzt spüre, weise und auch ein bißchen verschmitzt, mich wieder erleben lässt, wie real doch das Erleben seiner Präsenz gerade eben für mich war und wieder ist, durch diesen Wirbel hindurch… Atme, dear, Atme. Und mein Rücken streckt sich auf und klingt wider: ja, ich lebe, ich lebe. Ich nehme das Geschenk des Lebens an. Danke, dear Thich Nath Hanh, danke, dear Matt, danke, dear Adriaan.

  4. In einer Zeit größter Not erreichten mich seine Worte, ohne dass ich danach suchte. Er half mir mich selbst wieder zu finden und mit dem Leid und Schmerz richtig umzugehn.
    Durch seine liebenden Worte wurde ich wieder heil.
    Er ist der lebendige Buddha, der allwissende Buddha, der omnipräsente Buddha der Liebe in seiner diesseitigen Erscheinungsform als einfacher Mönch, als kranker Mann für den ich bete, als Thay.

  5. Om many padme hum, mein Liebster. Ich habe mich durch Dich befreien können und manchmal kommen mir Tränen der Rührung, wenn Du ein Lächeln in mein Gesicht pflanzt. Ich war immer selbst ständig, aber die Ketten in meinem Kopf hast Du mir genommen und das Schloß daran. Wir werden uns Wiedersehen, dann bin ich endlich wieder dort, von wo wir beide gekommen waren, als die Genesis nicht mehr “rund” lief. Ich liebe Dich, denn Du bist mein Edelstein im LOTUS.

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